Die Geschichte des Tandemsurfens:

Bild: Fred Ostermann (gelber Pullover), hier 2008 bei der Siegerehrung des ersten "Fred Osterman-Cup" in Zülpich bei Köln, ist der Erfinder des Tandem-Surfboards. Als weltweit erster Hersteller baute er 1974 Surfboards aus hartem GFK. Bis dahin existierte nur der Original-Windsurfer aus weichem Polyäthylen.

Fred Ostermann hatte großen Verdienst an der Entwicklung des Windsurf-Sportes in den 70er Jahren. Er gründete für seine WINDGLIDER eine Klassenvereinigung unter dem Dach des Deutschen Seglerverbandes. Er organisierte spektakuläre Weltmeisterschaften in der Karibik, auf Mauritius in Ungarn und in Spanien. 1979 stieg seine Firma zum Weltmarktführer auf. Die WINDGLIDER waren 1984 vor Los Angeles Olympiaklasse.

 

Bild: Das berühmte Windglider-Tandem mit der charakteristischen Hohlkehle mischt bis heute bei den Regatten mit. Es läuft und läuft und läuft....Hier Thomas Michaelis (vorn) und Markua Michaelis (hinten)

 

Gleich in seine erste Produktpalette nahm Fred neben zwei Monoboards ein Tandem auf (siehe Foto unten). Die Idee kam grossartig an. In jeder Surfschule gehörte ein Windglider-Tandem zur Grundausstattung, da man auf keine andere Art die Grundkenntnisse des Surfens besser vermitteln konnte, als wenn Schüler und Lehrer auf dem Board nebeneinander standen. Bald sah man Väter mit Söhnen, Bruderpaare, Ehepaare und natürlich auch sportlich ambitionierte Teams auf den Jumbo-Boards. Am Gardasee gingen 1977 bei der ersten Weltmeisterschaft 160 Teilnehmer mit 80 Tandems an den Start! Im Rahmen dieses Events wurde unsere Klassenvereinigung, die Deutsche Tandemsurfer Klassenvereinigung e. V. in Malcesine gegründet. Es folgten die Gründung einer Internationalen Klassenvereinigung (ITCA) und die Anerkennung durch den Internationalen Seglerverband als "Division III".

Fred Ostermann verstarb am 11. Februar 2012 im Alter von 77 Jahren. (s. u.) Die Rheinische Windsurfing Gemeinschaft e. V. (RWSG) in Zülpich bei Köln widmete ihm schon zu Lebzeiten eine traditionelle Tandem-Regatta, den Fred Ostermann-Cup.

Shark löste das Transportproblem der ca. 6,50 m langen Rümpfe schon in den 70er Jahren durch die Entwicklung eines dreiteiligen Tandems. Erst rund 40 jahre später griff in Österreich Georg Lechner diese Idee wieder auf und baute ein perfektes zweiteiliges Tandem, das eine neue Ära einläutete (s. u.)

Bild: Das dreiteilige SHARK - Tandem wurde in den 70er Jahren entwickelt. Die Produktion wurde zu Beginn der 80er Jahre leider eingestellt. Man sieht die Boards immer noch hier und da.

 

Die Regattaszene wurde zu Beginn der 80er Jahre durch den Bau zahlreicher Prototypen zu einer Materialschlacht, was in der Folge für viel Frust sorgte. Die Klassenvereinigung stoppte diese Entwicklung. Die rückläufige Entwicklung der Tandems war aber nicht mehr aufzuhalten. Die Tandems waren einfach zu lang und zu schwer. Es fand sich jahrzehntelang kein grösserer neuer Hersteller für regattataugliche Tandems mehr. Zunächst baute in den 80er Jahren Georg Lechner in Österreich ein tolles hohles Tandem in Kleinserie, später kamen handgeshapte Tandems aus Belgien hinzu. Die Boards aller Generationen haben die Jahre gut überstanden und sind immer noch erfolgreich im Einsatz.

Weil die Idee, mit zwei Riggs im Team aufs Brett zu gehen so einleuchtend war, legte die Industrie immer wieder kurze leichte sog. "Funboard-Tandems" auf. Es begann mit einem Board von Cobra und einem von F2. In der Gegenwart bieten Exocet mit dem "Mahalo" und Starboard mit dem "Gemini" sehr preiswerte Funboard-Tandems, an die sich vor allem zum Rumdüsen raumschots eignen.


F2 Tandem (kein Schwert, sehr wenig Volumen, schnell bei Starkwind)

 

Obwohl die Regatta-Boards zu lang und zu schwer waren, hielt sich das Regattasurfen mit Tandems in Nordrhein-Westfalen und in der Schweiz.
Basierend auf einer Idee seines damaligen Surfobmannes Manfred Behrendt schrieb der Segler-Verband Nordrhein-Westfalen 2006 eine Landesmeisterschaft aus, die seitdem in einer Regattaserie von 4 -5 Rennen ausgesegelt wird. In der Schweiz findet seit den 80er Jahren eine Traditionsregatta mit Tandems statt, die immer besonders gut besucht ist und heute den Saison-Höhepunkt darstellt. Zunächst war das Rennen Teil des Engadiner Surf-Marathon. Seit 2002 veranstalten der Surfclub Immenstadt und der Swissair Surfclub Ende August eine beliebte zweitägige Regatta auf dem Silser See vor Maloja. (siehe Fotos unter "Impressionen" und "Regattaberichte 2009").

2007 nahm die Regattaszene der Tandems vor allem in Nordrhein-Westfalen wieder Fahrt auf. 2009 nahm die DTK ihre lange ruhenden Aktivitäten wieder auf. 2010 wurden wieder eine nationale Deutsche Bestenermittlung und eine Europameisterschaft durchgeführt.

Hauptproblem war, dass sich kein Hersteller bereit fand, ein für Regattasport taugliches Tandem zu entwickeln - zu teuer, zu kleiner Markt.

Hier ist im Jahre 2009 etwas in Bewegung geraten. Auf einen Tip von Fred Ostermann hin machte der Autor dieses Artikels in Belgien den Hersteller der allerersten Tandems ausfindig. Die Rede ist von Wim Jansen und der Firma INDUPOL in Arendonk (Belgien). Hier wurden im Auftrag von Fred Ostermann die ersten GFK-Board der Welt gebaut, auch die Windglider für die Olympiade 1984 in Los Angeles. Die ganze Familie Jansen ist wassersportbegeistert. Anita Jansen war Windglider-Weltmeisterin und auch Firmenchef Frank Jansen war sehr erfolgreicher Regattasurfer. Die Firma INDUPOL ist ein riesiges, sehr erfolgreiches High-Tech-Unternehmen.


Bild: (von links) Anita Jansen (ehemalige WINDGLIDER-Weltmeisterin), Wim Jansen, Frank Jansen.

 

Die Jansens nahmen die Idee, einmal ein richtig gutes Tandem zu bauen, ohne Zögern auf! Sie schlugen vor, den Olympiasieger von 1984, Stephan Vandenberg, zu kontaktieren, der zusammen mit seinem Bruder Ron in Hoorn bei Amsterdam Hollands den damals größten Shop für Surfen, Kiten, Snowboarden und Kiten betrieb. Die beiden bauten in Kleinserie hochwertige Surfboards. Auch sie machten spontan mit. Es wurde eine Weile getüftelt. Existierende Tandems wurden analysiert und getestet. Wertvolle Vermessungsarbeit und Tips steuerte Gabi Schlotmann bei, seinerzeit Landestrainerin des Seglerverbandes NRW, selbst sehr gute Surferin (mehrfache Deutsche Meisterin und Raceboard-Weltmeisterin 2009).

Was kam schliesslich dabei heraus? Ein nur 5, 80 m kurzes, ca. 30 kg leichtes sehr grossvolumiges Board, das sich bei jedem Wind von Jedermann wunderbar segeln lässt und dessen Speed bei den Regatten im Engadin und in NRW bei Windstärken von 2 Beaufort ebenso voll überzeugte wie bei Windstärke 6-7.

 

Unterwasserschiff des TD 580 in der Weiterentwicklung von Georg Lechner.

 

Für die Serie wurden die Boards aus Gewichtsgründen hohl und unter Einsatz hochwertiger Materialien in einer speziell gebauten teuren Anlage gebaut werden. Das trieb den Preis in unrealistische Dimensionen.

Es sah nicht gut aus für das ganze Projekt als im Oktober 2010 eine Wende zum Guten kam. Überraschend entschloss sich in Person von Georg Lechner aus Österreich ein sehr renommierter Experte, das TD 580 auf eine neue Weise zu bauen.

Mit ihm stand jetzt ein erfahrener Hersteller bereit, der phantastische Tandems in excellenter Qualität herstellen konnte.

Leider war auch für ihn die Herstellung eines so riesigen Boards in der dafür notwendigen Form zu aufwendig. Er schlug vor, das Problem durch Entwicklung eines zweiteiligen Rumpfes zu lösen. Diese Projekt wurde im Herbst des Jahres 2015 in Angriff genommen. Im Herbst 2018 war es dann soweit. Georg Lechner stellte sehr zur Freude aller Tandemsurfer persönlich das jetzt aus zwei handlichen Teilen bestehende neue TD580 mit vielen pfiffigen Details vor. Im Rahmen einer Regatta testeten mehrere Topteams die neue Generation und man ausnahmlos beeindruckt von der Steifigkeit und Festigkeit des Rumpfes. Ab jetzt waren Tandems nicht mehr schwierig zu transportieren oder zu lagern. Alles ging sehr leicht!

Herbst 2018 in Wesel: Ein Neues Zeitalter bricht an!

Georg Lechner (links) und Alex Maucher freuen sich über die gelungene neue Generation von Tandem-Surfboards

Das TD 580 von Lechner bei seinem ersten Regatta-Einsatz 2011 am Silser See

 

Bild: Diese "Verdränger"-Tandems kamen zu Beginn der 80er Jahre auf. Sie wurden als Einzelexemplare gebaut, die meisten in Belgien. Sie sind vor allem bei leichten und mittleren Winden sehr schnell. Deshalb werden sie bis heute von vielen ambitionierten Regattasurfern bevorzugt. Für den Breitensport eignen sie sich nicht (im Bild Nikolas Goetzke, hinten Vater Michael Götzke)

 

Die Welt- und Europameister der Tandem-Windsurfer:

1977 World Championships, Malcesine, Italy
Stephan Mast/Niko Stickl (Germany)

1978 World Chammpionships, Port Grimaud, France
Claus Köhnlein/Philip Pudenz (Germany)

1978 European Championships, Veersemeer, Netherlands
Claus Köhnlein/Philip Pudenz (Germany)

1979 World Championships, Travemünde, Germany
Claus Köhnlein/Philip Pudenz (Germany)

1979 European Championships, Torbole, Italy
Frank Schreyer/Heiko Hoffmann (Germany)

1980 World Championships, Veluwemeer, Netherlands
Claus Köhnlein/Philip Pudenz (Germany)

1980 European Championships, Silvaplana, Switzerland
Claus Köhnlein/Philip Pudenz (Germany)

1981 World Championships, Sitges, Spain
Rolf Brock/Jems Brock (Germany)

1981 European Championships, Traunsee, Austria
Claus Köhnlein/Philip Pudenz (Germany)

1983 World Championships (New IYRU Division III), Veluwemeer, Netherlands
Bernhard Brandstätter/Georg Lechner (Austria)

1985 World Championships (IYRU Division III) Aalsmeer, Netherlands
Knut Budig/Martin Bornhäuser (Germany)

2010 European Championships, ITCA, Maloja, Switzerland Christoph Liese/Toni Stadler (Germany)

2011 European Champiponships, ITCA, Lelystad, Niederlande Christoph Liese/Toni Stadler (Germany)

2012 European Championships, ITCA, Medemblik, Niederlande, Ron Vandenberg und Dick Hoekstra (Niederlande)

2013 European Chanmpionships, ITCA, Medemblik, Niederlande, Gabi Schlotmann und Leon Delle (Germany)

2015 European Championships, ITCA, Medemblik, Niederlande, Dirk Hoekzema und Alex Maucher

2019 European Chamionships, ITCA, Almere, Niederlande, Markus Hoffmann und Alex Maucher


Dies ist das allererste Tandem, das je gebaut wurde (1975). Hersteller war im Auftrag von Fred Ostermann die heutige Firma Indupol in Belgien. Die Aufnahme stammt aus dem Jahr 2008. Mit diesem Exemplar -ausgerüstet mit modernem Schwert und aktuellen Raceboardsegeln- wurden zwischen 2008 und 2011 mehrere Regatten gewonnen! (Alex Maucher (vorn), Benedikt Klinkhammer (hinten) auf Dem Zülicher Wassersportsee.

Traurige Nachricht zum Jahresbeginn 2012

Am 11. Februar 2012 ist der frühere Weltmarktführer und Erfinder des Tandem-Windsurfens, Fred Ostermann, im Alter von 77 Jahren in aller Stille von uns gegangen.

Das ist ein schwerer Verlust. Fred war in den 70er Jahren die markanteste Größe unseres Sportes. Er war für den Windsurfsport ein echter Glücksfall. Er erkannte früh, dass sich der Windsurfsport sinnvoller Weise in die Strukturen des Segelsportes integrieren sollte und gründete mit einem seiner Mitarbeiter kurzerhand nach Vorbilder der Segelbbootsklassen die erste deutsche "Klassenvereinigung" (Deutsche Windglider Klassenvereinigung) und war Pionier bei der Organisation einer regelrechten Regattaszene im ganzen Land. Mit seiner finanziellen Unterstützung konnten die Aktiven ohne jede Zensur sogar ein eigenes Surf-Mgazin herausgeben. Unter großem finanziellem Einsatz organisierte er auch die unvergessenen großen WINDGLIDER-Weltmeisterschaften an exotischen Plätzen wie Guadeloupe oder Mauritius.

Freddy war der erste Kaufmann, der Surfbretter aus hartem GFK herstellen ließ. Wir kannten bis dato nur Boards aus weichem Polyäthylen.
Der von ihm in den Pionierjahren produzierte WINDGLIDER mit seinem leichten Rigg ist zwar längst Geschichte, wird aber unvergessen bleiben. Er war ein Meilenstein der Brettentwicklung und machte Regattasport mit einem hohen Maß an Materialgleichheit möglich. Die erste Olympiade wurde
1984 vor Los Angeles auf WINDGLIDERN gesegelt. Das Konzept dieser Olympiade blieb bis auf den heutigen Tag richtungsweisend.

Wofür wir Fred Ostermann immer dankbar sein müssen, ist sein persönliches Engagement für das Surfen auf Tandems. Gleich die erste Produktpalette der Firma Ostermann enthielt ein Tandem!!

Das Tandem war seine Erfindung.

Obwohl schon damals schnell deutlich wurde, dass eine Firma mit einem solchen Produkt nie Gewinne machen würde, hat Fred das Tandemsurfen maximal gepuscht. Für die erste Tandem-WM karrte er 80 Tandems an den Gardasee.Nie mehr hat die Welt ein so großes Feld an Tandems gesehen. Es war ein tolles Fest.


Er hat in den 70ger Jahren auch selbst an den nationalen und internationalen Regatten teilgenommen. Er war wirklich einer von uns und
mit uns allen per "DU". Er hatte Ecken und Kanten, aber man konnte sich immer absolut auf ihn verlassen und wir haben ihn alle irgendwie geliebt.
Er hat in den letzten Jahren viele gesundheitliche Rückschläge und Unfälle verkraftet, aber er war ein echter Kämpfer.

Seine Firma stieg 1979 zum Marktführer auf. Noch vor der Olympiade 1984 verkaufte Fred sein Unternehmen an Baron Bich (BIC Marine). Die Firma war zuletzt schuldenfrei und alle Verbindlichkeiten konnten beglichen werden. Auf diese Feststellung legte Fred immer größten Wert. Es war Teil des Deals, dass Fred nicht in die Surf-Branche zurückkehren durfte. Der frühere Möbelhändler und passionierte Kanusportler wechselte in die Immobilienbranche, wo er bis zuletzt als selbständiger Kaufmann aktiv blieb.

Im Jahre 2008  widmete die Rheinische Windsurfing Gemeinschaft e. V. in Zülpich ihre Tandem-Regatta Fred Ostermann und richtet seitdem
alljährlich den "Fred Ostermann-Cup" aus. Zur Siegerehrung des ersten Cups reiste Fred trotz einer noch nicht verheilten Fuß-Operation an und überreichte die Preise (s. obiges Foto). Er hat sich über dieses Zeichen der Anerkennung sehr gefreut. Immerhin war er zu dieser Zeit schon fast eine Vierteljahrhundert nicht mehr in der Windsurfer-Szene aktiv.

Auf seine alten Tage wollte mich Fred bei meinem Bemühen um das Tandemsurfen und den Bau eines neuen Tandems unterstützen und gab mir
einen dafür entscheidenden Tip. Er war fest davon überzeugt, dass nur sein früherer Geschäftspartner Wim Jansen, der Seniorchef von der
belgischen Kunststoff -Firma INDUPOL, in der Lage und bereit sein könnte, uns zu helfen. Die Boards der Firma waren damals so gut, dass wir sie noch heute konkurrenzfähig in unseren Regatten segeln können (siehe Foto des Ur-Windglider im Anhang). Er stellte den Kontakt her und es hat
tatsächlich funktioniert.

Niemand, der Fred kannte, wird ihn je vergessen. Er war eine große Persönlichkeit.

Alex Maucher